Wort-Fluss
Ich sitze hier, mit der Absicht zu schreiben. Wobei mein Schreiben mehr sein sollte, als ein Aneinanderreihen von Wörtern, ein Mitteilen von Informationen, ein Festhalten von momentanen Gedanken.
Nein, ich wünsche mir, dass es wieder wie damals ist.
Damals, als die Gedanken und Gefühle sich wie ein Strom in ein Meer von Worten ausgossen und sich ein ganzer Körper, ein ganzes Sein in den Wellen eines Textes wogte.
Ausdruck. Eindruck. Spiegel der Seele.
Wo bist du, Fluss der Wörter? Ich habe lange auf dichgewartet. Warum eigentlich?
Warum scheinst du mir jetzt wieder vermissenswert, unausweichlich, drängst dich auf wie damals?
Damals, als es nicht genug Wörter gab, als ein Satz nicht reichte, als Seiten gefüllt wurden, nur um etwas Kleines von dem zu fassen, was in diesem grossen Meer trieb.
Dieses Meer, welches in mir seine Wogen schlug, überall an Grenzen stiess, zu überbrodeln drohte.
In Worte fassen, ein Gefäss finden.
Wo ist der Strom, der leise versiegt war, sanft ausgetrocknet ohne Durst und Dürre zu hinterlassen?
Ich glaube nun, ja, ich weiss; er musste in einer neuen Landschaft seinen Lauf suchen, sich ein Bett graben, sanft, unmerklich, leise, doch stetig aushöhlend.
Denn die Landschaft meines Seins hat sich verändert.
Jetzt fliesst du wieder. Ohne dass es ein neues Landschaftsbild stört, ohne die neu gewachsene Natur zu bedrängen.
Jetzt fliesst du wieder, vereint im Du, dass zum Ich wird.
Jetzt fliesst du wieder, nicht immer sanft, nicht immer unmerklich, nicht immer leise, doch stetig formend, prägend, vereinend.